Let it go!

Mein Post-Doc-Aufenthalt in New York ist beendet. Die Arbeit geht in Österreich weiter, aber ohne diesen Blog, der von Anfang an eine begrenzte Laufzeit hatte. Denn BARABERN, dessen Titel das Vorwort erläutert, wurde im Frühling letzten Jahres ins Leben gerufen, um von meinen Forschungen an der School of Media Studies der New School zu berichten. Es handelte sich um ein Erwin-Schrödinger-Stipendium des österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), das von April 2012 bis Mai 2013 dauerte. Die sogenannte Rückkehrphase werde ich ab Herbst an der Universität Wien verbringen. Wie die rund dreißig Postings zeigen, war der Forschungsaufenthalt von Archivrecherchen, methodischen Debatten und Erkundungen digitaler Publikationsformen geprägt. Für den Abschlussbericht musste Barry Salmon, mein New Yorker Mentor, eine Stellungnahme verfassen, die ich im Folgenden verlinkt wiedergebe. Der Grund ist nicht Eigenwerbung, sondern der gute Überblick über meine Recherchen, die der Brief gibt, und vor allem sein spirit: Ich lernte erst an der New School, gemeinsam Wissen zu schaffen. »Let it go!«, sagt Barry. Du weißt, wie schwer es mir fällt. Weiterlesen

Campus Medius

Wer die Einträge meines Projektblogs verfolgt, mag sich wundern, wie die behandelten Fragen zusammenhängen. Formal gesehen, berichten die Artikel über die Recherchen meines Post-Doc-Aufenthaltes an der New School in New York. Was verbindet jedoch Themen wie le dispositif von Michel Foucault, die Erfindung des American Breakfast und interaktive Kartografie inhaltlich miteinander? Die Antwort liefert hoffentlich das Projekt »Campus Medius«, das ich gerade bei der Online-Zeitschrift Sensate zur Veröffentlichung einreiche. Ich hatte mein Forschungsstipendium mit einer Festplatte voll Archivmaterial angetreten. Die Einzelteile fügten sich aber erst an der School of Media Studies zu einem Ganzen, das in meinen Augen methodisch durchdacht, empirisch detailliert und von innovativen Darstellungsformen geprägt ist. Im Anschluss an die Begutachtung werde ich das Projekt gemeinsam mit Rory Solomon produzieren. Die näheren Informationen folgen im englischen Publikationsantrag. Weiterlesen

Letztlich Aufklärung

Im Nachhinein ist man immer gescheiter. Wäre mir bewusst gewesen, wie sehr der dunkle Raum die Bildqualität des Mitschnitts beeinträchtigen würde, hätte ich unseren Plan wohl überdacht, den Titel »The Politics of Unenlightenment« auch lichttechnisch umzusetzen. So eindringlich die Finsternis bei der Veranstaltung wirkte, so unscharf ist nun leider das Video, das am 10. April im Austrian Cultural Forum in New York aufgenommen wurde. Da die Haustechnikerin das Licht gegen Ende andrehte, konnte ich wenigstens das abschließende Lied online stellen. Es handelt sich um das Stück Ostersonntag von Bertolt Brecht (Text) und Hanns Eisler (Musik), das Barry Salmon von der New School für unser wunderbares Ensemble arrangierte: Theo Bleckmann (Gesang), Joyce Hammann (Geige), Mark Feldman (Geige), Lois Martin (Bratsche), Jody Redhage (Cello).

Das Leben selbst

Wegen der Veranstaltung, die ich am Austrian Cultural Forum organisierte, war in den letzten Einträgen des Projektblogs häufig von Karl Kraus die Rede. Ich möchte noch einmal auf die andere Figur meiner germanistischen Dissertation K. K. und P. A. Eine Typologie zurückkommen, nämlich Peter Altenberg. Der österreichische Schriftsteller setzte sich in dem 1905 erschienenen Buch Pròdrŏmŏs auch mit Fotografie und Film auseinander, die »Natur aus erster Hand«, ja »vita ipsa« wiedergäben. [1] Welches Leben ist gemeint, das die visuellen Medien unverfälscht abbilden? Eine Spurensuche im 19. Jahrhundert. Weiterlesen

Post Festum

Nachdem Mark Crispin Miller im letzten Moment abgesagt, mein Herd eigenwillig Gas verströmt und das Macbook nicht mehr auf die Fernbedienung reagiert hatte, mit der ich die Präsentation zu steuern versuchte, ging die Veranstaltung im Austrian Cultural Forum am 10. April einwandfrei über die Bühne. (Dank Jane Mcateer von der Haustechnik!) NYU-Professor Miller, der Leiter der geplanten Debatte über politische Propaganda, war aus privaten Gründen verhindert. Deshalb ließen wir den Abend mit einem lockeren Gespräch zwischen den Hauptakteuren und dem Publikum ausklingen, dessen Aufmerksamkeit nicht enden wollte.

The Politics of Unenlightenment

In meinen Vortrag über den Essay Dritte Walpurgisnacht (1933) von Karl Kraus fügten sich nicht nur historische Radiosendungen und Filmausschnitte ein, sondern auch Aufführungen von Liedern, geschrieben von Bertolt Brecht und komponiert von Hanns Eisler, die Barry Salmon für ein Streichquartett und den Sänger Theo Bleckmann arrangierte. Die beiden nahmen an der abschließenden Diskussion teil, von der ich unten ein Bild poste. Sobald ich den Live-Mitschnitt erhalten habe, stelle ich ein paar Videos in den Blog. Dann wird meine wahre Rolle in dieser multimedialen Show klar: ein redender Zwerg, getragen von musizierenden Riesen. Organisatorischen Dank schulde ich Hannah Liko, der Vizedirektorin des Austrian Cultural Forums, die unsere Arbeit offen und großzügig unterstützt hat. Yes indeed, Österreich ist ein Kulturland – zumindest in New York.

Vorne von links: Barry Salmon (musikalische Leitung), Simon Ganahl (Organisation und Vortrag), Theo Bleckmann (Gesang); hinten von links: Joyce Hammann (Geige), Mark Feldman (Geige), Lois Martin (Bratsche), Jody Redhage (Cello); fotografiert von Valerie Matheis (Austrian Cultural Forum New York).

Vorne von links: Barry Salmon (musikalische Leitung), Simon Ganahl (Organisation und Vortrag), Theo Bleckmann (Gesang); hinten von links: Joyce Hammann (Geige), Mark Feldman (Geige), Lois Martin (Bratsche), Jody Redhage (Cello); fotografiert von Valerie Matheis (Austrian Cultural Forum New York).

Zürcher Foucault-Blog

Als ich vor einem Jahr nach New York kam, entsprach ich ziemlich genau dem medialen Klischee, das Amerikaner von europäischen Wissenschaftlern haben. Ich verschaffte mir Zugang zu den großen Bibliotheken, studierte Nachlässe, redete über französische Philosophie, verfügte aber weder über ein Profil bei Facebook noch bei Twitter. Daran hat sich zwar nichts geändert; auf Anraten meiner Kollegin Shannon Mattern begann ich jedoch, diesen Blog über meinen Auslandsaufenthalt zu schreiben. Inzwischen arbeite ich nicht nur an einer interaktiven Karte, sondern bin auch Mitherausgeber eines akademischen Blogs über Michel Foucault, der an die Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich angebunden ist. Wir sind am 1. April mit zwei Beiträgen online gegangen: Christiane Paul von meinem Gastinstitut, der School of Media Studies, stellt ihre Ausstellung The Public Private vor, und ich versuche die Frage zu beantworten, ob Foucaults dispositif ein Akteur-Netzwerk ist? In den österreichischen Alpen, wo ich aufgewachsen bin, bekommt man in den Berghütten Anstecknadeln, die man stolz am Hut oder am Busen trägt. Hab ich jetzt endlich den Sticker hard bloggin‘ scientist verdient?

[Un]Enlightenment

Die Suche nach einem passenden Titel für die Veranstaltung, die ich am Austrian Cultural Forum in New York organisiere, stellte sich tatsächlich als schwierig heraus. Gegen »The Sound of Media« hatte die New School Einwände (»No way!«), gegen »From Cliché to Action« das Kulturforum (»?!«). Wir haben uns schließlich auf »The Politics of Unenlightenment« geeinigt, weil Karl Kraus vom Projekt der »Abklärung« spricht, das von den Nationalsozialisten vollendet werde. Im Zentrum steht meine Auseinandersetzung mit den Medienquellen des Essays Dritte Walpurgisnacht, den Kraus 1933 in Wien über den politischen Umbruch in Deutschland verfasste. Umrahmt wird der multimediale Vortrag von einer Aufführung der Lieder An den kleinen Radioapparat und Elegie 1939, beide von Bertolt Brecht geschrieben und von Hanns Eisler vertont, die mein Kollege Barry Salmon für ein Streichquartett arrangiert. Es freut mich sehr, dass wir Theo Bleckmann als Sänger gewinnen konnten. Die Veranstaltung, die am 10. April stattfindet, endet mit einer Diskussion über politische Propaganda, geleitet von Professor Mark Crispin Miller von der New York University. Es folgt die offizielle Ankündigung in Englisch. Weiterlesen

Fortuna in Boston

Der Rhythmus der Beiträge auf dem Projektblog hat sich in den letzten Wochen verlangsamt. Es liegt mir fern, in New Yorker Manier zu betonen, wie busy ich ständig bin. Tatsächlich lassen mir die laufenden Aufgaben aber wenig Zeit, sorgfältige Artikel über den Fortschritt der Recherchen zu schreiben. Deshalb erstatte ich nur frei Bericht über einen Aufenthalt in Boston, wo ich unter anderem Archivalien der Harvard Library studiert und die Herausgeber der Online-Zeitschrift Sensate getroffen habe. Weiterlesen

The Public Private

Die Basisstation meines Instituts, der School of Media Studies, befindet sich im zwölften Stock der Adresse 2 West 13th Street in New York. Im Erdgeschoss ist das Sheila C. Johnson Design Center untergebracht, wo meistens Mode zu sehen ist, die von Studenten oder Absolventen der New School entworfen wurde. (Zu den Alumni von Parsons gehören berühmte Designer wie Tom Ford, Marc Jacobs, Alexander Wang und Jason Wu.) Am 6. Februar wurde die Ausstellung The Public Private eröffnet, die Christiane Paul von den Media Studies kuratierte. Da die ausgewählten Werke Probleme betreffen, die in meinem Projektblog wiederholt zur Sprache kamen, stelle ich ein paar Arbeiten vor. Weiterlesen

Wiener Abend

Als ich am Wochenende per Ö1-Stream die Sendung Café Sonntag hörte, verabschiedete sich die Moderatorin mit dem Hinweis, dass sie ihren Flug nach New York erwischen müsse, um dort in einem Theaterstück aufzutreten. Ich mag die rauchige Stimme von Mercedes Echerer, habe die Schauspielerin aber noch nie live gesehen. Darum besuchte ich gestern die Premiere von Die (irr)witzige, (halb)seidene Karriere des Fräulein Erna im Theater HERE, wo der Wein mit in die Vorstellung darf. Vielleicht habe ich deshalb keine Ahnung, worum es in dem Stück ging? Es steht jedenfalls weder eine kathartische noch eine didaktische Wirkung im Vordergrund, sondern eher die Vielseitigkeit des Fräulein Echerer, die von einer Rolle in die andere schlüpft: von dem Flittchen Erna in die schielende Aranka, dem Berliner Prokuristen in den Wiener Baron, dem russischen Portier in den britischen Diplomaten usw. Begleitet wird sie von Moische Tausendblum alias Aliosha Biz – einem Geiger, der klopft, streicht, zupft und schlägt, dass es eine wahre Freude ist. Kurzum, ein amüsanter Abend, sogar ein wienerischer, wenn es im HERE außer Pinot grigio auch Grünen Veltliner gäbe.

The Sound of Media

Es hat ganz harmlos angefangen. Ich wurde beim Austrian Cultural Forum in New York vorstellig, um einen Vortrag über die Dritte Walpurgisnacht von Karl Kraus anzubieten. Zu den Gästen des Instituts gehört immer noch eine Reihe von jüdischen Emigranten aus Österreich, die regelmäßig einen Palatschinken-Stammtisch in der Upper East Side abhalten. Eine Präsentation zu dem medienkritischen Essay, der 1933 in Wien über die nationalsozialistische Machtergreifung entstanden war, würde nicht nur bei den ehemaligen Flüchtlingen, so dachte ich mir, sondern auch bei anderen New Yorkern auf Interesse stoßen. Hannah Liko, die literarische Direktorin des Kulturforums, war sehr angetan von der Idee, schlug aber vor, die Veranstaltung auf den »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich zu beziehen, der sich heuer zum 75. Mal jährt. Weiterlesen

Das souveräne Zeichen

Ich schrieb vor dem Rigorosum, dass ich bei der Prüfung über die Frage reden wollte, wo K. K. und P. A. herstammen? Am 21. Dezember bemerkte ich dann, wie viel mir zum geschichtlichen Kontext einfiel, in den Peter Altenberg eingebettet ist, während ich bei der genealogischen Linie von Karl Kraus ins Stottern geriet. P. A. ist ein bockiges Kind der Disziplinargesellschaft des 19. Jahrhunderts, das wie die Filme der Brüder Lumière das Leben aus dem Lebendigen greift: La vie prise sur le vif! K. K. hingegen führt den Leser auf die Souveränitätsgesellschaft des 18. Jahrhunderts zurück, das Zeitalter der Aufklärung, das sich um die Repräsentation drehte. Zu Michel Foucaults Begriff der Disziplin habe ich bereits Stellung genommen. Aber was ist eigentlich mit Souveränität gemeint? Weiterlesen